Dienstag, 23. Oktober 2007

Freistil (XCVI)

Keimling (I)

Vor der Tür steht dieser verdammte graublaue Rucksack, den ich haben will. Die Tür, das ist die Tür zu der Toilette auf dem Flur des dritten Stocks des städtischen Rathauses, in der ich stehe und darauf warte, dass draußen die Luft rein wird. Es ist früher Abend, nur noch ein paar vereinzelte Gestalten treiben sich in den Gängen herum. Es ist die Damentoilette, in der ich mich befinde. Und ich bin ein Kerl, was zur Erklärung meiner Nervosität vielleicht hinzuzufügen ist, selbige aber nur zum Teil begründet. Der größere Teil davon gründet auf dem, was sich in dem Rucksack befindet. Von Zeit zu Zeit drücke ich den Griff hinunter und öffne die Tür einen kleinen Spalt, um zu sehen, ob auf dem Flur das Licht aus ist. Wenn kein Licht da ist, dann sind auch gerade keine Leute da, denn das Licht schaltet sich automatisch wieder ab. Aber die Sicherheit ist trügerisch, denn der Schalter für das Licht befindet sich einige Meter neben den Aufzügen und wenn gerade jemand ankommt, dann kann es sein, dass derjenige schon im Flur ist, das Licht aber noch aus. Eben eben sah ich ein Pärchen vorbeigehen, er, dieser Typ mit der schwarzen Lederjacke, hat mich wahrgenommen, das heisst nicht mich direkt, aber die Bewegung der Tür hat er auf jeden Fall gesehen, denn er drehte sich im Vorbeigehen in meine Richtung um. Sie, eine Studentin, die ich in irgendeinem Seminar an der Universität schonmal gesehen zu haben glaube, schien ziemlich abwesend. Ich muss endlich an den Rucksack kommen, ohne dass jemand sieht, wie ich hier aus der Tür komme und ihn einfach an mich nehme. Und was noch schlimmer ist: Jede Minute, die ich länger warte, erhöht sowohl die Gefahr, dass jemand in die Toilette gehen will, während ich hier hinter der Tür stehe als auch die Gefahr für das Eintreten des schlimmsten anzunehmenden Falles, nämlich den, dass jemand den herrenlosen Rucksack an sich nimmt und ins Fundbüro trägt, das ironischerweise keine zwanzig Meter entfernt am Ende des Gangs liegt. Wie ich diese merkwürdige Situation hineingeraten bin? Ja, das ist eine gute Frage. Also die Geschichte geht so:

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