Mittwoch, 10. Oktober 2007

NeuRosen (XXVI)

Die Angst kroch meinen Rücken rauf und machte sich in meinem Gehirn breit, wo sie sich, wie bei dieser Art von Angst üblich, in Lähmung verwandelte. Ich wusste, dass ich es schaffen konnte: Einen Roman schreiben. Die Nummer Eins auf der Liste der Dinge, die ich bis zum 30. Lebensjahr gemacht haben wollte. Aber anstatt es zu tun, saß ich nur da, blickte ins Leere und trank von dem Bier, das ich mir heimlich gekauft hatte. Nebenan spielte ein Mensch, den ich in der atemberaubend kurzen Zeit von vier Monaten zum mir einzigen Vertrauten gemacht hatte, ein uraltes Computerspiel und beantwortete ein Winken im Vorbeigehen mit einem Lächeln. Kannte Sie mich? Wusste Sie von der bleieren Angst, die in diesem Moment in mir wütete, als wäre sie völlig schwerelos? Hatte Sie eine Vorstellung davon, wie schwer es für mich war, einfach wieder in dieses kleine Zimmer zu gehen und weiterzumachen mit dem fruchtlosen Herumhacken auf diesem Notebook, anstatt zu ihr ins Bett zu kriechen? Und wusste Sie, wie unausweichlich, wie dringend notwendig diese scheinbar gefühlskalte Handlung gleichzeitig für mich war? War mir eigentlich klar, wie sinnlos alles war, was ich zu dieser Zeit tat? Wie absurd es allen Menschen um mich herum scheinen musste, dass ich die Kunst zu meinem Gott gemacht hatte, zum Einzigen Ding neben der Liebe, das es wert war, meine Zeit in Anspruch zu nehmen?

Vermutlich nicht. Aber ich bin dennoch froh über den Verlauf dieser Nacht, in der ich mein neues Zuhause endlich zu akzeptieren anfing. Ich fing zwar nicht damit an, endlich den Roman zu schreiben, den zu verfassen ich schon seit Jahren unzähligen Menschen androhe, aber ich verliebte mich wieder, fand mich neu in den so begrenzten Landstrichen des Alphabets, einem der unzweifelhaft schönsten Orte meiner frühesten Kindheitserinnerungen und liess Worte in formvollendeter Choreographie über den Bildschirm tanzen, wie schon seit Monaten nicht mehr. Und ich verliebte mich neu in sie, dieses junge Mädchen im Nebenzimmer, das von all diesen Überlegungen nichts wusste. Das Leben hatte mich wieder. Oder, von außen betrachtet: Genau das Gegenteil davon.

Keine Kommentare: