Granpa Raventhird erzählt (I)
Deine Mutter hat Deinen Vater sehr geliebt. Sie konnte stundenlang von ihm erzählen, aber wenn ich Ihr zuhörte, hatte ich immer das Gefühl, dass Ihr das erst klar wurde, als er gar nicht mehr am Leben war. Es erschien mir fast so, als hätten Sie und er sich in Wahrheit nie allzuviel zu sagen gehabt, aber nicht deshalb, weil sie sich nicht mochten, sondern weil zwischen ihnen von Anfang an alles so eindeutig und klar war, dass es nicht viel zu sagen gab. Sie selbst brauchte lange, um das zu verstehen. Viel zu lange.
Wenn die beiden zusammen waren, dann muss es gewesen sein, als wären zwei Engel beieinander. Sie sprachen, so wie ich es verstehe, fast ausschließlich in dieser Art von Babysprache miteinander, die Leute miteinander sprechen, die frisch verliebt sind, sie alberten rum, sie liebten sich so oft, wie sie körperlich dazu in der Lage waren und das ließ niemals nach. Also hör' endlich auf, Sie danach zu fragen, ob sie ihn in den Tod getrieben hat. Das hat Sie nicht. Du kennst Sie gar nicht. Das, was Du kennst, ist nur die zerbrochene Version von Ihr, die Version, die entstanden ist, als der Zug über den verdammten Schädel dieses lebenslangen Träumers fuhr, der Dein Vater war. Und ich meine ich nicht im negativen Sinne, selbst wenn es so klingt. Man kann ihm nicht böse sein dafür, was er war. Wäre er ein Anderer gewesen, hätte Sie sich gar nicht erst in ihn verliebt.
Und dann würdest Du gar nicht existieren, um diese dummen Fragen überhaupt zu stellen. Verstehst Du das?
Dienstag, 4. September 2007
Freistil (LXXI)
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