Model: Z.
Dienstag, 30. Oktober 2007
Freistil (C)
Ich sah ihn dort stehen. Er sang mein Lied. Einfach so, als ob es nichts wäre. Als ob es keine Bedeutung hätte, dieses Lied zu singen, als wäre es eine Selbstverständlichkeit, das zu tun. Ich konnte mich nicht mehr bewegen, starrte ausdruckslos auf seine Lippen, die meine Worte formten, sie in leicht nasaler Tonlage in die Welt hinaus posaunten, ohne dass es einen für ihn erkennbaren Zuhörer gegeben hätte. Es ist niemandem zu beschreiben, wie es sich anfühlt, wenn man das zum ersten Mal erlebt. Man weiß dann, dass man das Richtige tut, dass alle, die einem immer davon abgeraten haben, die Musik weiter ernsthaft zu verfolgen, falsch lagen, dass plötzlich mehr als zehn Jahre Kampf gegen Zweifler doch noch Sinn machen, obwohl man die Schlacht ein ums andere Mal schon verloren geglaubt hatte. Es veränderte alles, dieses Erlebnis. Es war besser als der Moment, in dem zum ersten Mal etwas von mir im lokalen Radio lief, es war aufregender als das kurze Interview für ein Fanmagazin vor ein paar Monaten, es war erregender als die schärfsten jungen Frauen, die alles dafür taten, um mit uns Musikern rumhängen zu dürfen. Ich bekam eine Erektion, die so hart war, dass sie wehtat, dort, auf der Strasse hinter dem abgefuckten Fast-Food-Laden.
Hätte mich jemand gesehen, wie ich dort stand, mit offenem Mund, fast sabbernd, einen mir Unbekannten Betrunkenen beobachtend, eine sich immer deutlicher in meiner Hose abzeichnende Beule vor mir tragend, er wäre wohl zu dem Schluss gekommen, dass mit mir grundlegend irgendwas nicht stimmt.
Das Gegenteil war der Fall: Zum ersten Mal im meinem Leben stimmte einfach alles.
Freistil (XCIX)
Ich höre Dich lesen, lesen und lesen, gegen den Regen in Weimar. Und leben. Du bist eine Muse auf der Drehscheibe.
Montag, 29. Oktober 2007
Instant Poetry (LI)
Zettelgedicht von der anderen Seite
Ich sprach zum König:
Wer und wann, was macht ihr da?
Ich sprach so ruhig und ohne Hast.
Der König dann,
der Mensch, der Welterlöser, das Gesicht,
ließ mich in Ketten legen und auch sterben.
Heut tanz ich quer durchs Alphabet,
denn auch die Toten schwingen Reden,
und des Königs Kopf,
total im Todesschmerz verspannt,
der rollte nicht viel später,
ist mir ein netter Diskutant.
Instant Poetry (L)
Immer so
Lebensgefleckt krochst Du
in mein Bett,
Geheimnisverwuchernd schrittst Du
durch mein Herz -
Sehnsüchte spiegelnd,
nicht weckend,
denn ich war
Samstag, 27. Oktober 2007
Freitag, 26. Oktober 2007
Freistil (XCVIII)
Schnur im Regen (2007)
(mit Haut und Haar)
Beweine den blutigen Nachwind,
Zwirrgespenstertriefling, Du
zwangsverirrlichtertes Schneekind.
Wasch die kahlen Stellen einfach weg,
zerfrans' die schweren Klumpen,
auch wenn sie klebrig sind und
lächle dann nur noch kalt.
Man wird es und Dich vergessen.
Donnerstag, 25. Oktober 2007
Freistil (XCVII)
11:10. Traf gestern Robert Roloff am Rotmaincenter und aß anschließend mit Paolo Pinkas zu Abend. Netter Abend folgte. Operation Big Raushole kann beginnen.
Briefing (VII)
Lieber "Tobias K.",
Es macht ziemlichen Spaß, Feinde zu haben, denen man auch aus einer nettgemeinten Geste noch einen Strick drehen kann, oder? Da kann man sich mal so richtig aufregen und abreagieren an nichts. Aristoteles hat das Katharsis genannt, das kommt vom griechischen Wort "κάθαρσις" und bedeutet "Reinigung".
In diesem Sinne: Spring fein im Dreieck.
Dienstag, 23. Oktober 2007
Sublimate (2007)
Source photos: sxc.hu, justmeina, resurgere and own stuff.
Wort für Wort (XXIX)
"Sitzt Du etwa gerade am Computer?" – "Ähm..." – "Ich höre, wie Du tippst" – "Ja, ich sitze am Computer." – "Oh Mann. Kannst Du nicht mal kurz damit aufhören und mit mir telefonieren?" – "Ich bin da grade an einem Bild dran und wenn ich jetzt nicht kurz skizziere, wie ich nachher weitermache, dann entgleitet es mir." – "Es gibt immer irgendein Bild, an dem Du grade arbeitest. Hast Du nicht langsam mal genug Bilder gemacht?" – "Es gibt kein Genug. Es geht immer weiter. Ich hab das Gefühl, als könnte ich das gar nicht selbst steuern, als würde mich irgendwas einfach weitertreiben, als wäre ich einfach besessen davon." – "Du klingst gerade wie ein totaler Psycho." – "Tut mir leid." – "Ich hoffe, dein Mädchen leidet nicht unter dieser Besessenheit, wie Du es nennst." – "Doch. Ich glaube, das tut Sie mittlerweilen schon. Aber was soll ich denn dagegen machen, verdammt?"
Freistil (XCVI)
Keimling (I)
Vor der Tür steht dieser verdammte graublaue Rucksack, den ich haben will. Die Tür, das ist die Tür zu der Toilette auf dem Flur des dritten Stocks des städtischen Rathauses, in der ich stehe und darauf warte, dass draußen die Luft rein wird. Es ist früher Abend, nur noch ein paar vereinzelte Gestalten treiben sich in den Gängen herum. Es ist die Damentoilette, in der ich mich befinde. Und ich bin ein Kerl, was zur Erklärung meiner Nervosität vielleicht hinzuzufügen ist, selbige aber nur zum Teil begründet. Der größere Teil davon gründet auf dem, was sich in dem Rucksack befindet. Von Zeit zu Zeit drücke ich den Griff hinunter und öffne die Tür einen kleinen Spalt, um zu sehen, ob auf dem Flur das Licht aus ist. Wenn kein Licht da ist, dann sind auch gerade keine Leute da, denn das Licht schaltet sich automatisch wieder ab. Aber die Sicherheit ist trügerisch, denn der Schalter für das Licht befindet sich einige Meter neben den Aufzügen und wenn gerade jemand ankommt, dann kann es sein, dass derjenige schon im Flur ist, das Licht aber noch aus. Eben eben sah ich ein Pärchen vorbeigehen, er, dieser Typ mit der schwarzen Lederjacke, hat mich wahrgenommen, das heisst nicht mich direkt, aber die Bewegung der Tür hat er auf jeden Fall gesehen, denn er drehte sich im Vorbeigehen in meine Richtung um. Sie, eine Studentin, die ich in irgendeinem Seminar an der Universität schonmal gesehen zu haben glaube, schien ziemlich abwesend. Ich muss endlich an den Rucksack kommen, ohne dass jemand sieht, wie ich hier aus der Tür komme und ihn einfach an mich nehme. Und was noch schlimmer ist: Jede Minute, die ich länger warte, erhöht sowohl die Gefahr, dass jemand in die Toilette gehen will, während ich hier hinter der Tür stehe als auch die Gefahr für das Eintreten des schlimmsten anzunehmenden Falles, nämlich den, dass jemand den herrenlosen Rucksack an sich nimmt und ins Fundbüro trägt, das ironischerweise keine zwanzig Meter entfernt am Ende des Gangs liegt. Wie ich diese merkwürdige Situation hineingeraten bin? Ja, das ist eine gute Frage. Also die Geschichte geht so:
Wort für Wort (XXVIII)
"Ja, ich hab gestern mit ihm telefoniert." – "Mit Skype?" – "Äh... mit dem Telefon."
Montag, 22. Oktober 2007
Freistil (XCV)
Startkuss (2006/2007)
Durchs Dunkel, renn,
und nimm Visionen mit,
neun an der Zahl,
vierzehn maximal.
Eins: Es wird passieren.
Zwei: Und zwar sehr bald.
Und fort.
Und fort.
Samstag, 20. Oktober 2007
Metareflexion, yeah! (XX)
Suchbegriffe, mit denen verschiedene Google-Benutzer laut meinem abgefahren komplexen Besucherstatistikauswertungsprogramm bei diesem Blog landeten (III):
-"Selbstkritiker"
-"Blubberhirn"
-"Buchstabenmenschen"
-"Nightmare 2007"
-"marsupilami stofftier"
-"Schlangenlederhose"
-"herzlieb, zu dir allein translation"
-"mutter bumsen"
-"pink my homepage"
-"schrumpfköpfe fotos"
...ich bin sprachlos, diesesmal.
Freistil (XCIV)
"Du bist Dir also sicher", sagte ich.
"Ja, ich bin mir sogar verdammt sicher", sagte sie.
"Und was passiert, wenn Du rausfinden solltest, dass es doch nicht das ist, was Du willst?"
"Dann werde ich Dich anlügen und Dir trotzdem erzählen, dass es die beste Entscheidung war, die je getroffen habe, was denkst Du denn?" Man konnte jetzt den Zorn in ihren Augen sehen.
"Ja, ich denke, das wirst Du tun", sagte ich, "denn Du wärst viel zu stolz und eitel, um zuzugeben, dass ich Recht hatte. Du machst keine Fehler."
"Hör' auf. Bitte hör' auf, mir einzureden, dass ich nochmal über alles nachdenken soll. Ich habe die Entscheidung schon getroffen."
"Du gehst hin?"
"Ich gehe da hin. Und ich werde dort das beste aus dem machen, was ich dort finde", sagte sie. Und dann fing sie an, zu weinen. Ich ging zu ihr rüber und legte den Arm um sie.
"Ich glaube, ich bewundere die Art, wie Du Dinge angehst ein bisschen", sagte ich.
"Und ich hasse die Art, wie Du an Dingen zweifelst", sagte sie, "Du bist völlig unfähig, jede Art von Entscheidung zu treffen, die wichtiger ist als die, welcher Film besser ist als der Andere."
"Das stimmt nicht."
"Warum bist Du dann so, wie Du bist?"
"Wie bin ich denn?"
"Du weißt, wie Du bist", sagte sie, "Du bist altklug. Klugscheisserisch."
"Es ist nur so, dass ich in allen Dingen Vor- und Nachteile finden kann. Und da Du die Nachteile offenbar ausblendest, zähle ich sie Dir auf", sagte ich.
"Und das ist genau das, was mich wütend macht", sagte sie und nahm ihre Jacke, "lass mich meine Entscheidungen alleine treffen und rede sie mir vor allem nicht schlecht, wenn ich sie schon getroffen habe. Bitte."
Sie ging nach draußen. Man konnte hören, wie das Auto wendete und dann die Straße hinab fuhr.
"Du machst einen Fehler", murmelte ich. Ich war mir dessen ziemlich sicher.
Wort für Wort (XXVII)
Aus der elektronischen Post gefischtes (I)
"Hallo! Meine Name ist Polina.
Ich bin Studentin und Ich habe zur Germany zu lernen angekommen .
Ich suche mich den Freund und der Sex-Partner.
Aller dass Ich will es ist ein guter Mann. Sie sollen ernst, sicher, klug sein.
Geben Sie mich zu wissen wenn Sie wollen mit mir treffen.
Ebenso konnen Sie einfach mein Freund sein.
Sie konnen meine Fotos auf meiner Seite sehen: [censored]
BITTE, NURR DIE ERNSTE Vorschlages.
KUSSE, POLINA"
Donnerstag, 18. Oktober 2007
Metareflexion, yeah! (XIX)
Mit dem Hammer philosophieren: Man muss alles zerschlagen, bevor man wirklich schaffen kann.
Freistil (XCIII)
Sie saß dort und hielt einen Hund an der Kette, dem man, wenn man sie nicht kannte, und ich kannte sie nicht, zutrauen würde, dass er sie, wenn ihm plötzlich danach war, einfach hinter sich herschleifen würde und trug mit einem schwarzen Stift Dinge in eine Tabelle ein, die sie scheinbar von ihren Tätowierungen abschrieb. Es bestand kein Zweifel daran, dass die blonde, spindeldürre Frau, die mir in einem Biergarten in Dresden zum ersten Mal begegnete, wo sie gegen Mittag einen Whiskey trank, ein paar richtige Probleme hatte. Mir erschien sie dennoch, oder vielleicht auch deswegen, wie einer der vertrautesten Fremden, die ich in den letzten Monaten gesehen hatte, wenn sie verstehen, was ich damit meine.
Mittwoch, 17. Oktober 2007
NeuRosen (XXVII)
Manche Leute kennt man, manche Leute grüßt man. Manche Leute guckt man nicht mal an, manche Leute lächeln einem zu. Viele Neue irren wirr durch alle Gänge. Das absurde Theater hat wieder geöffnet, ich stehe mittendrin auf seiner Bühne und hab' bestimmt zum zehnten Mal vergessen, wo Hörsaal Nummer 9 ist.
Instant Poetry (XLVII)
Teuflisch guter Grund
Wir scharrten mit dem roten Haar,
doch hinweg, mit süßen Sang:
Ritt jener keck, oh je,
solch schlanken Stamm:
Der wohl bekannte Durst (die Lust);
Doch mit wir von falscher Mensch
und für jene fremde Leiden:
Liebe ohne Widerstand zerschunden.
Montag, 15. Oktober 2007
Instant Poetry (XLVI)
Alter
Jäh gelb sind all die Dinge,
da tobt der Beterchor.
Mit Flammen, manchmal zwischen Himmel
und anderswo.
Ewig endlos: Der wankende Greis
und das Wasser fließt durch die niederen Hütten.
Sonntag, 14. Oktober 2007
Instant Poetry (XLV)
Die Bittstellerin
Feuchtes Kirchshofsgras:
Ich suchte nicht nach Sein.
Beide Hände am Ziel: Bei süßer Lust;
die einzige Blüte in den seligen Gefilden,
auch bei meinem, zu wild,
oder nur eine feine Hand.
Freier gehen von selbst,
zur Tür hinausgeschmissen dann.
Du bist. Ich war.
Wort für Wort (XXVI)
"Irgendso'n billiger Ami-Streifen, nichtmal besonders originell gemacht." – "Aber sind die meisten billigen Ami-Streifen nicht nicht besonders originell?" – "Richtig." – "Warum sieht er die denn an?" – "Tja, er guckt halt gerne romantische Komödien. Ist halt son Softie-Typ." – "Ist das nicht gut?" – "Doch. Isses." – "Na dann kannste ja mit gar nix anfangen." – "Wieso?" – "Ich bin ja eher der Machotyp, wie Du dauernd behauptest, oder?" – "Naja, zum Bumsen ist das manchmal ganz nett." – "So von Zeit zu Zeit oder dauerhaft?" – "Was schreibst'n da eigentlich dauernd?" – "Weiß nicht." – "Du schreibst aber nicht auf, was wir grade reden, oder?" – "Nein." – "Nein? Warum grinst Du denn dann jetzt so?" – "Tja, jetzt kann ich wohl nicht mehr weiterschreiben, nachdem Du's schon bemerkt hast, oder? Was meinst Du?" – "Wortlos kaue ich auf einem Maulbeerenstengel."
Samstag, 13. Oktober 2007
Freitag, 12. Oktober 2007
Tiefenstrukturanalyse (XIII)
Ein rabenschwarzer Tag für die Kunstfreiheit. Und dennoch nehmen manche ihr Handwerk weiterhin sehr ernst.
Donnerstag, 11. Oktober 2007
Freistil (XCII)
Buntes Nachtlied
Dort drüben hängen die bunten Schildkröten, von denen ich Dir bereits erzählte, fein säuberlich aufgereiht an einem Tau, unter ihnen stehen Schüsseln, die das Blut auffangen werden, wenn ihnen der Mann, der diesen grausamen Job schon seit Jahren übernimmt, die Kehlen durchschneiden wird. Ihr Blut hat jeweils die im Farbkreis gegenüberliegende Farbe von der ihres Panzers. Schon seit Anbeginn der Zeit gewinnen wir auf diese Art und Weise die Farbe, die wir dringend benötigen, um zu malen. Es mag Dir grausam erscheinen, Dir, als jemandem, der zum ersten Mal in diesem Land zu Besuch ist, aber das Leben hier bedeutet rein gar nichts ohne die Kunst, wir opfern unser ganzes Dasein der Kunst und die Schildkröten tun genau dasselbe, wenn auch durch unsere Hand. Sie genau hin: Sie zappeln nicht. Sie wissen, was mit ihnen geschehen wird, sie sind ganz ruhig. Wir haben natürlich im Laufe der Zeit versucht, die Prozedur zu verändern, das Blut der Schildkröten nur anzuzapfen und wir haben auch nach anderen Quellen zum Gewinnen der Farbe gesucht, aber es war alles erfolglos, es führte zu letztendlich unbefriedigenden Bildern. Es scheint fast so, als würde das Leben dieser Kreaturen mit dem letzten Tropfen in die Schüsseln fallen und sich von dort in die Bilder fortsetzen, die Du so bewunderst. Ich will gar nichts beschönigen: Es ist brutal, was wir tun. Es verlangt uns einiges ab, so zu leben. Aber wir sind nunmal, was wir sind und wir müssen es aufrechterhalten. Jeder Versuch, das grundlegende Prinzip unseres Daseins zu ändern, würde zwangsläufig zu einer gesellschaftlichen und kulturellen Katastrophe führen, deren Ausmaß sich niemand, der hier geboren wurde, auch in im Ansatz vorzustellen vermag. Die Barbarei würde Einzug halten. Es würde aus diesem Land genau das werden, was Du als Deine Heimat kennst.
Mittwoch, 10. Oktober 2007
Freistil (XCI)
Nimmer (2007)
Mein Außensein
schlief jene kleinen Tage lang,
und das Verlangen, so zu schreiben,
schien im Innensein versteckt auf Reisen.
Wenn Du Süße rochst, dort drüben,
wo links der Schnee und rechts das Lachen:
Ging es dann ums Schweigen?
Du Friedhof meiner Phantasien,
ich buddle mich erneut durch Deine Grüfte
und öffne heut' das frischste Grab.
NeuRosen (XXVI)
Die Angst kroch meinen Rücken rauf und machte sich in meinem Gehirn breit, wo sie sich, wie bei dieser Art von Angst üblich, in Lähmung verwandelte. Ich wusste, dass ich es schaffen konnte: Einen Roman schreiben. Die Nummer Eins auf der Liste der Dinge, die ich bis zum 30. Lebensjahr gemacht haben wollte. Aber anstatt es zu tun, saß ich nur da, blickte ins Leere und trank von dem Bier, das ich mir heimlich gekauft hatte. Nebenan spielte ein Mensch, den ich in der atemberaubend kurzen Zeit von vier Monaten zum mir einzigen Vertrauten gemacht hatte, ein uraltes Computerspiel und beantwortete ein Winken im Vorbeigehen mit einem Lächeln. Kannte Sie mich? Wusste Sie von der bleieren Angst, die in diesem Moment in mir wütete, als wäre sie völlig schwerelos? Hatte Sie eine Vorstellung davon, wie schwer es für mich war, einfach wieder in dieses kleine Zimmer zu gehen und weiterzumachen mit dem fruchtlosen Herumhacken auf diesem Notebook, anstatt zu ihr ins Bett zu kriechen? Und wusste Sie, wie unausweichlich, wie dringend notwendig diese scheinbar gefühlskalte Handlung gleichzeitig für mich war? War mir eigentlich klar, wie sinnlos alles war, was ich zu dieser Zeit tat? Wie absurd es allen Menschen um mich herum scheinen musste, dass ich die Kunst zu meinem Gott gemacht hatte, zum Einzigen Ding neben der Liebe, das es wert war, meine Zeit in Anspruch zu nehmen?
Vermutlich nicht. Aber ich bin dennoch froh über den Verlauf dieser Nacht, in der ich mein neues Zuhause endlich zu akzeptieren anfing. Ich fing zwar nicht damit an, endlich den Roman zu schreiben, den zu verfassen ich schon seit Jahren unzähligen Menschen androhe, aber ich verliebte mich wieder, fand mich neu in den so begrenzten Landstrichen des Alphabets, einem der unzweifelhaft schönsten Orte meiner frühesten Kindheitserinnerungen und liess Worte in formvollendeter Choreographie über den Bildschirm tanzen, wie schon seit Monaten nicht mehr. Und ich verliebte mich neu in sie, dieses junge Mädchen im Nebenzimmer, das von all diesen Überlegungen nichts wusste. Das Leben hatte mich wieder. Oder, von außen betrachtet: Genau das Gegenteil davon.
Wort für Wort (XXV)
Mailboxmonologe (I)
"Guten Morgen, hier ist D.K.. Ich finde es langsam Zeit, dass sie mal ihr Auto vor meiner Garage wegnehmen. Jetzt steht's schon seit drei Tagen dort. Sonst muss ich nämlich mal die Polizei anrufen und abschleppen lassen. Ich muss ja auch meine Garage nutzen können, gell? Also bitte das Auto entfernen. Auch, äh, sie ham des Schild gelesen, Ausfahrt Tag und Nacht freihalten, ne? Ok, Danke, Tschüss."
Montag, 8. Oktober 2007
Wort für Wort (XXIV)
"Hmm... alles, was meine Mutter eingepackt hat, finde ich nicht mehr." – "Dann musst Du halt mal alles auspacken. Das ist das, was ich die letzten Tage gemacht habe. Was Du als Nichtstun bezeichnet hast."
Metareflexion, yeah! (XVIII)
Schneeblind und ohne viele Sinnwunden
wüte ich durch Deinen Vorgarten, Kunst,
und trage die Machete
wie eine Wunderwaffe vor mir her,
obwohl sie nur das Werkzeug ist.
Samstag, 6. Oktober 2007
Freistil (XC)
Ausriss (2007)
Irrlichterst Du mich again?
Sinnverwichtelt ohne Niederkunft,
durchtrainiert und abgefuckt, dennoch:
Trockne Rosen auf dem Tisch,
leuchtend in se bräin.
Freistil (LXXIX)
Das kleine Niemandslicht (2007)
Zwischen jedem Tau fällt Regen:
Ohne festen Vorsatz schwebend.
Frischer Schnee lässt warten:
Dein Wort tanzt aus jeder Quelle.
In der Kürze der gebotenen Eile
backe ich wieder Brot
und Uhus umarmen nochmals Ungeheuer:
-.-
Donnerstag, 4. Oktober 2007
Tiefenstrukturanalyse (XII)
3.Oktober 2007
"Mittagsbuffet: Heute 6,90", verkündet groß ein Schild vor dem chinesischen Restaurant um die Ecke. Ein Blick auf den Aushang der Speisekarte daneben verrät dem sptzfindingen Besucher, dass es normalerweise nur 5,50 kostet. Aber es gibt ja was zu feiern, heute.