Sonntag, 8. Juni 2008

Freistil (CLXIX)

Ich laufe fast jede Nacht zu Fuß durch Bayreuth. Ich will so viel wie möglich von der Stadt sehen, bevor ich verschwinde und das geht nur in den Stunden zwischen ein und drei Uhr, weil man nur dann einen richtigen Blick auf die vom halbdunkel des Kunstlichts betonten Gebäude werfen kann, ohne von Verkehr und Passanten abgelenkt zu werden. Man trifft um diese Uhrzeit nur noch Katzen in der Stadt. Es gibt verdammt viele hier, man sieht sie nur tagsüber nicht und sie haben ihre Reviere mitten in Stadt zwischen den ganzen Wohnhäusern. Ich würde gerne sehen, wie ein Stadtplan aussehen würde, wenn man nicht die von Menschen definierten Stadtteile eintragen würde, sondern die von jeweils einer Katze kontrollierten Gebiete. Meine Lieblingskatze ist schwarz und hat eine weiße Stelle am Ende des Schwanzes. Sie wohnt gleich hier um die Ecke. Ich habe sie Moojauw getauft, was sicherlich kein sonderlich origineller, aber ein passender Name für sie ist, denn sonderlich viel Charakter hat sie nicht (auch wenn das bei einer Katze immer noch heißt, dass sie mehr Charakter als die meisten Menschen hat) und ich bilde mir ein, dass das daran liegt, dass sie eine Stadtkatze ist und die richtige Natur höchstens vom Hörensagen kennt. Bisher traf ich Moojauw fünf Mal, und jedesmal, wenn sie mich in der Ferne um eine Ecke biegen sieht, erschrickt sie zuerst, geht in eine geduckte Haltung und beobachtet dann jede meiner Bewegungen ganz genau. Wenn ich in dem Moment ein falsches Signal sende, entschlüpft sie durch irgendeinen Zaun in einen Hinterhof und kommt nicht mehr hervor. Wenn ich aber in die Knie gehe und leise ihren Namen rufe und mich dann mit ausgestreckter, flacher Hand und in geduckter Haltung ihr nähere, ohne zu rennen oder ohne zu deutlich zu machen, dass ich sie unbedingt erreichen will, wenn ich also auf die mit Interesse, aber ohne zu starke Fixierung vorsichtig auf sie zugehe, dann lässt sie sich sich einfach auf die Straße fallen, deren Teer von der Sonne auch in der tiefen Nacht noch ein bisschen warm ist und wälzt sich von einer Seite auf die andere, bis ich ankomme und ihr den Nacken kraule. Sie schnurrt dann ziemlich laut und guckt mich verschwörerisch an, so als wäre ich eines der wenigen Lebewesen, die verstehen, was hier draußen vor sich geht, mitten in der Nacht. Sie erinnert mich ein kleines bisschen an mich selbst.

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